7. Tag Üxheim

Zitat des Tages:

"…Also Haarspray hab' ich immer dabei…."

 

 

 

Guten Morgen!

Heute soll die Sonne scheinen….

Es war schön hier in der Herberge. Aber trotzdem nagt es an mir….. Ich wollte draußen schlafen. In Schutzhütten, im Zelt, bei netten Menschen auf der Wiese oder Feld, ….. im Wald. Das "ging" bisher nur 3x… Für mich enttäuschend.

Aber die Sonne lacht! Es wird schon werden! So plane ich mein Ziel für heute und starte am frühen Morgen in Blankenheim.

Der Ahr-Fuss- und Rad-Weg soll es sein! Ich will dem "Kommerz-Prädikats-Eifel-Wanderweg" nicht weiter folgen…. 

Radwege "killen" zwar meine Füße und Gelenke, aber es ist einfacher Strecke zu machen. Und das will ich heute. Weiter südwärts kommen. Vielleicht wird's da besser.

Aber das wollte ich ja auch. Erfahrungen machen auf dem Weg. Sehen wie es so wird, als Wanderer mit Friedensziel und weltkritisch… Auf geht's!

Die erste Zeit bin ich alleine und genieße das Vogelkonzert in der Morgensonne. Der Weg unter meinen Füßen fließt nur so dahin und ich komme gut voran.

Nach etwa einer Stunde kommen dann die ersten Radfahrer. Eine Gruppe aus Bottrop, die ich beim Entladen der Räder in Blankenheim gesehen habe, fährt an mir vorbei.

Dass man sich nicht mehr grüßt, habe ich ja schon mitbekommen, aber einer aus der Gruppe hält doch neben mir an und beginnt ein Gespräch. Mich freut das.

Wir sind doch alle hier draußen und genießen unser Tun. Warum schweigen wir uns an? Das ist es, was ich die letzten Tage immer wieder dachte. Kein Gruß, kein Wort, nix...

Er möchte wissen, was das für ´ne Fahne ist, wohin ich denn laufe, von wo ich komme….echtes Interesse. Nicht überheblich oder herabsetzend. Einfach ein ehrliches Gespräch. Sie fahren bis zum Rhein und dann in zwei weiteren Etappen hoch nach Duisburg. 

Wir wünschen uns alles Gute für unsere Reisen und er sprintet der Gruppe hinterher, die in der Ferne kaum noch zu erkennen ist….. Geht doch!

 

So eintönig das Laufen auf festem Grund auch ist, durch den hohen, gleichbleibenden Rhythmus gerät man in einen tranceähnlichen Zustand. Der Weg ist schön. Er führt durch´s Grün entlang der Ahr. Trotz des guten Wetters und Feiertages sind nur wenige Autos und Motorräder zu hören. Aber dennoch, bei allen Versuchen nur die Schönheit zu sehen….. ich kann nicht anders, kann's nicht ausblenden….. Etwas ist anders. Und das bemerke ich schon seit den ersten Metern vor ein paar Tagen…...

Der Gehrhythmus reinigt die Gedanken. Nach einiger Zeit verschwindet das "Hintergrundrauschen" und man ist im Moment. Im Hier und Jetzt.

Das tut sehr gut. 

Bei mir führt es aber eben auch dazu, dass ich kein "Hintergrund-Störrauschen" habe, welches von der Realität ablenkt.

Auf einem Feldweg, etwa 4 Kilometer vor Üxheim, passiert es dann!

Es ist warm und sonnig. Viele Blumen, Bäume und Sträucher blühen. Nur wenige Wiesen sind bisher abgemäht. Die geschwungenen Hügel und der weite Blick sind sehr schön anzusehen. Eigentlich ein toller Tag.

Aber da ist etwas…. etwas fehlt. Seit ich in Aachen gestartet bin ist das so!

Hier summt nichts! Keine Biene, keine Hummel, keine Schmetterlinge sind zu sehen oder zu hören!

Wo sind die Grashüpfer, die, gerade zur Mittagszeit, ihr Wiesenkonzert geben sollten?

Ja, ein paar Vögel sind zu hören. Einige Schnaken und Fliegen kreuzen meinen Weg. Das war es!

 

Nach ein paar Metern treffe ich auf eine Dame, vielleicht Mitte sechzig. Sie sitzt auf einer Bank und schaut zufrieden über die Täler die in Blüte stehen.

Wir grüßen. Ich gehe weiter, doch stoppe nach ein paar Metern, drehe mich um und starte ein Gespräch:

"…. Es ist sehr schön hier, ein toller Blick, aber wissen sie, was mir auffällt? Man hört nichts! Wo sind die Insekten? Die Bienen? Bei soviel Blüten sollten doch welche da sein……"

Sie schaut mich an und entgegnet: "….Vögel sind zu hören….. Aber sie haben recht! Keine Bienen! Die haben ja so eine Krankheit….Oder es ist zu früh oder nicht lange genug sonnig. Wer weiß…"

 

"Aber ich bitte sie. Es ist Ende Mai! Ich bin mir sicher, sie erinnern sich wie es vor zwanzig Jahren war. Da war alles voll mit Insekten um diese Zeit…:" entgegne ich.

Da sehe ich, wie ihr Gesicht zerfällt. Wie sie realisiert, der Typ hat recht. Und ich habe ihr nun den Tag versaut...

"… Das stimmt schon, aber man wächst da so hinein. Jedes Jahr verändert sich etwas und man merkt es nicht…." sagt sie.

 

"..Es ist ein schöner Tag. Ich wünsche ihnen noch eine schöne Zeit.:." So verabschiede ich mich und gehe meines Weges.

 

Genau! Man merkt es nicht! Um uns herum stirbt die Natur, die Menschlichkeit. Da es ein schleichender Prozess ist, registrieren die meisten Menschen das nicht. Nur wenige, die in der Lage sind es zu sehen, zu spüren. Und die sehen sich der tauben Masse gegenüber. Hilflos.

Wir alle rutschen in eine schreckliche Zukunft. Mir selber wurde es erst richtig bewusst auf den Tagen meiner Wanderung.

Ich kenne die Welt noch anders. Auch wenn ich "nur" Jahrgang '75 bin. Aber diese Veränderung ist für mich sichtbar und dramatisch. Wir merken es nicht…….

Passend dazu ein Artikel aus der "Schrot und Korn" Ausgabe: Mai 2016:

Artensterben

Ich merke es. Es hat auch bei mir etwas gebraucht. Aber nach 6 Wandertagen durch viel Natur, kann ich mir nichts mehr vormachen. Ich wollte diesen Mix aus Orten, wo ich auf Menschen treffe, und möglichst einsamer Natur. Klar, auch ich will die Zeit im "Grünen" genießen und will dann nur das Schöne sehen. Aber wenn es mehr ist als ein Tages - Ausflug, dann kann ich eben nicht mehr ausblenden und mir was einreden. Nein, hier ist vieles im Argen! Das ist nicht gut so!

Dazu die Taubheit und Dummheit so vieler Menschen, die mir auf dem Weg bisher begehet sind. Was mache ich hier? Das tut mir nicht gut und ich erreiche im Bezug auf Ramstein wirklich nichts!

 

In Üxheim sitze ich dann in einem Lokal und warte auf mein "Taxi" nach Hause. Ich breche hier erstmal ab. Muss mir Gedanken machen, wie es weitergehen soll. Durch diesen Landstrich zu gehen, diese Wanderung fortzusetzen, ist zum jetzigen Zeitpunkt mehr Selbstkasteiung als sinnvoller Lauf.

So sitze ich hier und viele Gedanken gehen mir durch den Kopf.

Dennoch muss ich folgendes mit anhören:

"…Hast du dich geschminkt?" Fragt die Wirtin eine Frau die vor ca. 10 Minuten ins Bad verschwand. Wenige Minuten davor kam sie mit ihrem Partner auf die Terrasse. Beide waren offensichtlich wandern. Das erzählen sie jedenfalls. Die Schuhe sagen mir, sie könnten recht haben.

"….Ja! Da fühlt man sich doch gleich besser. Also Haarspray habe ich ja immer dabei!…" Die Luft wird, obwohl die Frau etwa 4 Meter entfernt steht, mit einem Geruch geschwängert, der dem eines feuchten Douglas-Traumes nahe kommt…. Das Make-up sieht aus wie mit einem Spachtel aufgetragen, die strohigen Haare hochtoupiert…. und behangen wie ein Christbaum ist sie auch….

Was willst du mit solchen Leuten reden? Über das Artensterben? Über Ressourcenkriege? Konsumverzicht?

Ich ertrage das einfach nicht. Diese Dummheit der Menschen. Blind! Taub! Dumm!

Welche Werte vertretet ihr? 

Was ich hier schildere ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Nicht eine Begegnung in den Tagen, seit ich in Aachen aufgebrochen bin! Nicht eine! Keiner, der auch nur annähernd einen realistischen Blick auf die Situation hat.

Kleiner Auszug?

Bitte!:

"….aber wat die Islamisten da mache, dat is ja uch nit ok. Da muss man ja wat maache…"

"…is ja typisch für die Amis…..ever wat willste maache? Die maache ja wat se wolle…"

"… mir können die janzen Flüchtlinge ja auch nicht aufnehmen. Die müssen schon mal selber sorgen, dass es in ihrem Land Ordnung gibt….."

 

Etwa 130 - 140 Kilometer, inklusive der Extra-Schleifen, bin ich nun gelaufen. Immer mit der Überzeugung mal auf Gleichgesinnte zu treffen.

Ich bin ruhig auf der Heimfahrt. 

Vielleicht sollte ich eine andere Route ausprobieren auf meinem Weg nach Ramstein. Denn dort will ich hin!

Weil ich es für richtig halte dort zu sein. Teilzunehmen an den Veranstaltungen.